Werbung mit Natürlichkeit
Das wichtigste in Kürze:
Rechtlich ist die Begrifflichtkeit „natürlich“ nur für Aromen geregelt, in allen anderen Fällen gilt lediglich das Irreführungsverbot. Für die Auslobung sind der Herstellungsprozess und die Inhaltsstoffe entscheidend, wobei es auf die Produktkategorie ankommt und die Erwartung, die der Verbraucher an jene hat. Es kann sowohl das ganze Lebensmittel an sich, als auch lediglich eine einzelne Zutat als "natürlich" beworben werden (siehe Aromen).
Frühere Rechtsauffassung
Bis 2005 war es in Deutschland durch das damalige Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz verboten ein Lebensmittel als „natürlich“ oder auf ähnliche Weise zu bezeichnen, wenn ein zugelassener Zusatzstoff darin enthalten war oder es Rückstände von Pestiziden und pharmakologischen Stoffen enthielt. Dies wurde jedoch gekippt, da es auf Europaebene rechtswidrig war. (Hartwig/Schulz, 2009, S. 11f)
Der Gedanke, der hinter dem Gesetz steckte, kann aber durchaus im Hinterkopf behalten werden bei der Entscheidung zur Auslobung eines Produktes.
Aktuelle Rechtslage
Aktuell ist der Begriff „natürlich“ lediglich für Aromen definiert (VO (EG) 1334/2008, Art. 16), für alles andere gilt das allgemeine Irreführungsverbot. Soweit, so unklar… bis auf Aromen natürlich.
Die Definition von „natürlicher Aromastoff“ kann bei der Auslobung anderer Zutaten aber zumindest als Orientierung herangezogen werden, sie lautet:
„Aromastoff, durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren aus pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ausgangsstoffen gewonnen, die als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer der in Anhang II aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren für den menschlichen Verzehr aufbereitet werden. Natürliche Aromastoffe sind Stoffe, die natürlich vorkommen und in der Natur nachgewiesen wurden“ (VO (EG) 1334/2008, Art. 3, Abs. 2, lit. c). Es hilft also bei der Einordnung Richtung „natürlich“, wenn der betreffende Stoff in der Natur vorkommt und nicht mit einem extravagantem Verfahren bearbeitet wurde. Rechtssicherheit besteht allerdings nur bei Aromen. Entsprechend klassifiziert der Aromenlieferant üblicherweise in der Spezifikation ob es sich um ein natürliches Aroma handelt oder um etwas anderes.
VO (EG) 1334/2008, Anhang II:
Auslegung von „natürlich“ in der Praxis
Laut HARTWIG/SCHULZ wurde durch Gerichtsurteile immer wieder bestätigt, dass Zusatzstoffe per se in natürlichen Lebensmitteln enthalten sein können und dass in der Natur Pestizidrückstände zur Normalität gehören (Hartwig, 2009, S. 14f). Die natürlichen Aromastoffe, die zu den Zusatzstoffen zählen, verdeutlichen dies. Dabei bietet laut HARTWIG/SCHULZ die Bio-Verordnung (EG) 834/2008 einen weiteren Anhaltspunkt zur Beurteilung der Naturnähe von Zusatzstoffen (Hartwig/Schulz, 2009, S. 16). So schreibt VO (EG) 834/2007, Art. 21, Abs. 2, Satz 3 in Verbindung mit Art. 19, Abs. 2, lit. b für Bio-Lebensmittel vor, dass die verwendeten „Zusatzstoffe, Verarbeitungshilfsstoffe, Aromastoffe, Wasser, Salz, Zubereitungen aus Mikroorganismen und Enzymen, Mineralstoffe, Spurenelemente, Vitamine sowie Aminosäuren und andere Mikronährstoffe […] in der Natur vorkommen [müssen] und […] nur mechanischen, physikalischen, biologischen, enzymatischen oder mikrobiologischen Prozessen unterzogen worden sein [dürfen]“. Auch kommt es auf das zu beurteilende Lebensmittel an, so werden laut HARTWIG/SCHULZ an eine Tütensuppe nicht dieselben Anforderungen gelegt wie an naturnähere Produkte, es sei vielmehr relativ zu anderen Tütensuppen zu sehen (Hartwig/Schulz, 2009, S. 18).
Um das gesamte Produkt in seiner Aufmachung als „natürlich“ auszuloben, müssen alle Zutaten auf ihre Naturnähe überprüft werden (Hartwig, 2013, S. 163). Auch wenn das Produkt insgesamt nicht als „natürlich“ gilt, kann trotzdem eine einzelne Zutat als „natürlich“ hervorgehoben werden (Hartwig, 2013, S. 166).
All diese Überlegungen können einem Lebensmittelunternehmer dabei helfen sein Produkt nicht irreführend zu kennzeichnen, eine konkrete gesetzliche Regelung besteht, wie bereits dargestellt, lediglich für Aromen. Bei einer „Fachtagung Täuschungsschutz bei Lebensmitteln“ zum Thema „natürlich“ wurde hauptsächlich der Bereich der Aromen und Farbstoffe diskutiert (BMEL, 2013), dieser scheint in der Praxis die meisten Probleme zu verursachen.
BMEL – Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (2013). Fachtagung Täuschungsschutz bei Lebensmitteln. http://www.bmel.de/SharedDocs...
Hartwig, S., Schulz, S. (2009). Fragen & Antworten. Alternativen zu Gesundheits- und Nährwertclaims. Werbung mit Frische, Natur, Bio und „ohne“-Angaben. Hamburg: Behr’s Verlag.
Hartwig, S. (2013). Werbung für Lebensmittel: Strategien – rechtlicher Spielraum – Umsetzung. Hamburg: Behr’s Verlag.